Gemeinde Balgstädt

Chronik von 1442 - 1563

3. Balgstedt im Besitz der Herren von Neustadt 1442-1563

Was den Edelhof zu Balgstedt betrifft, so war der selbe, wie schon erwähnt, 1404 durch Belehnung durch den Naumburger Bischof in den Besitz des Markgrafen Friedrich des Streitbaren übergegangen.
Nicht lange danach gaben die Markgrafen Balgstedt wieder einem Adelsgeschlecht zu Lehn, nämlich den Herren von Neustadt. Diese hatten ihren Stammsitz in Neustadt, einem ehemaligen Dorfe westlich von Oechlitz. Nach dem Lehnbuch Friedrichs des Strengen hatte Neustadt 1349/50 noch 20 Hausbesitzer. Später verfiel es und ging ein, und die Herren von Neustadt erwarben Grundbesitz an anderen Orten, auch in Balgstedt.
Hier treten sie zum erstenmale 1442 auf, wo Hermann von Neustadt gegen die Stadt Freyburg Klage führt, weil die selbe aus seinen Balgstedter Brüchen Steine entnommen hatte. Bischof Johann von Merseburg entscheidet im Namen des Herzogs Wilhelm die Streitsache, weist Hermann von Neustadt mit seiner Klage ab und spricht der Stadt Freyburg das Recht zu, in dessen Steinbruche zu ihrem eigenen Nutzen so viel Steine zu brechen als sie will. Als Zeugen treten dabei unter anderem auf: Erfried Eyler von Rockhausen auf Weischütz, Otto von Nißmitz, Klaus und Walter von Balgstedt
1451 erscheint Hermann von Neustadt als Zeuge, als nach dem Tode des Werner Eyler von Rockhausen dessen Güter in Erau und vor der Stadt Freyburg an die letztere verkauft werden.
1467 besitzen Albrecht und Hermann von Nauenstedt die Hälfte des Wüsten Dorfes Newenstedt, Hermann außerdem Güter zu Mücheln, und zwar vom Edelherrn Brun von Querfurt, welcher sie vom Bistum Bamberg als Lehn besaß.
Ebenso werden die von Neustadt 1497 als Lehnsleute des Brun von Querfurt und des Bamberger Bischofs aufgeführt, nämlich Johannes Clauß zu Pallstedt (soll offenbar heißen Johannes und Klaus von Neustadt zu Balgstedt) und Otto von Neuenstadt zu Größt; sie besaßen das wüste Dorf Neuenstadt halb, Güter zu St. Micheln, die vorher Erhard von Neustedt besessen hatte, einen Siedelhof samt dem Kirchenpatronat zu St. Ulrich, sowie zahlreich Güter in Zorbau, Schnellroda, Oechlitz, Baumersroda, Ebersroda, Steigra und Eichstedt.
Aus jener Zeit stammt ein Mainzer Archidiakonats-register, welche vor 1495 abgefaßt ist und einen Einblick in die damaligen Kirchlichen Bezirke gewährt.
Seit Bonifatius Zeiten gehörte Thüringen zum Erzbistum Mainz, dessen Sprengel im Osten bis an die Unstrut reicht. Während die Orte links der Unstrut zum Beispiel Freyburg, Weischütz, Dorndorf, Burgscheidungen, zum Bistum Halberstadt gehörten, standen die Orte rechts der Unstrut zum Beispiel Balgstedt, Laucha, unter dem Erzbischof von Mainz. Dessen großer Sprengel war in mehrere Archidiakonate eingeteilt, und zwar gehörte das östliche Thüringen zu dem archidiakonatus beatae Mariae virginis Erfordiensis,an dessen Spitze der Dompropst von Erfurt stand.
Dieses Archidiakonat zerfiel wieder in 17 kleinere Bezirke, sogenannte Sedes, und zwar gehörte Balgstedt zur Sedes Kirchscheidungen. Es heißt darüber im Mainzer Archidiakonatisregister :

"Sedes Schydingen: Balgstedt Bebra Kirch - Schydingen Luchaw Nebra Oberndorf ( Wüstung bei Laucha ) Weyningen Wippich"

Sonach stand die Parochie Balgstedt im Mittelalter unter der geistlichen Aufsicht des Archipresbyters oder Erzpriesters in Kirchscheidungen.
Manchmal saß der Erzpriester auch in Laucha, zum Beispiel um 1468 Nikolaus Schreiber. Wichtig für die Heimatliche Kirchengeschichte sind auch die Nachrichten welche Würdtwein aus dem erzbischöflichen Archive in Mainz veröffentlicht hat.
Da heißt es vor 1495: "Zu der Vikaria St. Mariä in Balgstedt ist in folge der Verzichtleistung des Johannes Lodemar eingesetzt worden Karl von Schidingen, welcher durch den Landgrafen Friedrich von Thüringen präsentiert ist." Hieraus ersehen wir, daß in der Balgstedter Kirche ein Seitenaltar stand, welcher der Jungfrau Maria geweiht war und an welchem ein Vikar an bestimmten Tage Messen zu lesen hatte.
Ferner heißt es aus der Zeit vor 1495: " Zu der Vikaria St. Gangolffi in der Kapelle desselben in Balgstedt ist Georius Trimel eingesetzt worden, welcher durch den Stifter Nicolaus Nustat präsentiert ist."
Aus dieser Nachricht ergibt sich, daß es in Balgstedt außer der Kirche noch eine Kapelle gab, welche Nikolaus oder Klaus von Neustadt gebaut und dem heiligen Gangolf, einem burgundischen Ritter, der nach seinem Tode heilig gesprochen wurde, geweiht hatte.
Dieser Klaus von Neustadt ist uns schon 1497 als Lehnsmann des Brun von Querfurt gesegnet und wird auch 1502 als auf Balgstedt und Körbisdorf angesessenen erwähnt. Da er die Gangolfskapelle gestiftet hatte, so wurde er auch Lehnsherr oder Kirchenpatron der selben und präsentierte bei eintretender Vakanz dem Erzbischofe von Mainz einen neuen Vikar.
Dieses Recht ging über auf seine Nachkommen, denn es heißt bei Würdtwein zum Jahre 1514: "Am 23. Dezember ist für die Kapelle St. Gangolffi, bei dem Dorfe Balgstedt gelegen, die durch den Tod des Georg Tympel erledigt war, eingesetzt wurden Christopherus von Naustadt, Priester der Mainzer Diözöes, in die Person seines Stellvertreters Volgkmar Meynhart, der uns ( dem Erzbischof) durch den festen Junker Valentin von Neustadt präsentiert ist."
Dieser Valentin war wohl ein Sohn des Klaus von Neustadt. Er hatte seinen Verwandten Christoph für die Vikaria in der Gangolfskapelle präsentiert, der aber nur die Einkünfte bezog und die Messen durch einen gering besoldeten Vertreter lesen lies. Die Einkünfte der Kapelle scheinen für den Inhaber selbst ziemlich bedeutend gewesen zu sein, was sich daraus erklärt, das die Kapelle mit einem Ablaß ausgestattet war.
Im Mittelalter wurden häufig Ablässe an Kirchen und Kapellen verliehen und diese dadurch zu Wallfahrtsstätten erhoben. So verlieh der Erzbischof von Mainz 1359 durch seinen Vertreter der Dorfkirche zu Memleben einen 40 - tägigen Ablaß für alle, welche die Kirche an gewissen Festen besuchten, an einer Prozessio in um die Kirche teilnahmen, drei Paternoster und drei Ave - Maria beteten.
Die Kirche in Laucha erhielt 1335 und 1343 ebenfalls Ablassbriefe durch die Stellvertreter des Mainzer Erzbischofs.
1513 verlieh Papst Leo X. durch den Kardinal Antonius der Elisabethkapelle auf der Rudelsburg und der Kilianskapelle im Kilianshain (bei Laucha) einen vollkommenen Ablaß und Vergebung aller Sünden für die jenigen, welche diese Kapellen andächtig besuchten, fünf Paternoster, fünf Ave - Maria und ein Symbolum (Galubensbekenntniss) beteten.
In ähnlicher Weise war auch die Gangolffskapelle in Balgstedt mit einem Ablaß ausgestattet, und zwar wurden die Wallfahrten dorthin am Trinitatssonntage unternommen.
Es heißt darüber in der Matrikel von 1575: " Das Lehn Gangolffi Im Babstthumb (Papsttum) ist dem Vikario, so messe gehalten, vom Opfer, so den Sonntag Trinitatis, auf welche Zeit in der Kirchen St. Gangolffs Ablaß ist gehalten worden, gefallen (eingekommen) , gelohnt worden, als (und zwar) haben die von Naustadt ihm drei Altschock (a 2,50 Mark) und zehn Hüner gegeben, das andere haben sie für sich behalten"
Aus diesem in der Gangolffskapelle gehaltenen Ablaß, der bis etwa 1495 zurückreicht, ist das heutige Balgstedter Ablaßfest hervorgegangen, nur das dieses auf den ersten Sonntag nach Trinitatis verlegt worden ist.
Der genannte Priester Christoph von Neustadt hatte übrigens nicht nur die Vikaria in der Gangolffskapelle inne, sondern auch am Altar der Maria, denn es heißt beim Würdtwein zum Jahre 1516: "Den 6. Juni ist für die Vikaria des Altars der seligen Jungfrau Maria in der Parochalkirche des Dorfes Balgstet nach dem Tode des Thomas Kunzel eingesetzt worden Christhopherus von Nauestadt, Priester der Mainzer Diözese, welcher uns (dem Erzbischof von Mainz) durch den festen Junker und jungen Herrn von Nauestat, welcher anscheint Domherr in Mainz war, die Einkünfte des Altars ohne irgend eine Leistung und gab seinem Vertreter nur einen kleinen Teil davon.
Das Patronat über den Marienaltar hatte übrigens früher, wie wir oben sahen, dem Landgrafen von Thüringen zugestanden und war später auf die Herren von Neustadt übergegangen.
Endlich gibt Würdwein zum Jahre 1517 noch folgende Nachricht:

"den 11. März ist für die Parochalkirche des Dorfes Balgenstet nach dem Tode des Sebastian Brandenrot eingesetzt worden Anthonius Stange, ein Priester der Würzburger Diözese, in die Person der Burchard Balbach seines gesetzlichen Stellvertreters, welcher uns durch den festen Christophorus von Tabenheym, Amtmann in Freyburgk, präsentiert ist".

Hieraus ersehen wir, das der Lehnsherr oder Kirchenpatron der Balgstedter Kirche damals der Herzog Georg der Bärtige war, welcher sein Patronsrecht durch seinen Amtshauptmann in Freyburg ausübte.
Den Namen des Schutzheiligen, welchem die Kirche zu Balgstedt geweiht war, erfahren wir nicht. 1614 bis 1738 wird die Kirche in den Kirchenrechnungen als St. Nikolauskirche bezeichnet. Allein diese Bezeichnung in so später Zeit verdient keinen Glauben. Da die Balgstedter Kirche eine besondere Nikolauskapelle hatte, so kann nicht die ganze Kirche dem St. Nikolaus geweiht gewesen sein. Ehr könnte man vermuten, daß der Heilige Kilian Schutzpatron der Kirche gewesen ist.
Der Kilitz, ein Gehölz an der Straße von Balgstedt nach Burkersroda, und der dabei liegende Kilitzgraben erinnern an den Namen "Kilian", noch mehr als in der Matrikel von 1575 erwähnte Kilianshaus und der ebenda genannte Kilianshain. Kilianskapellen standen früher auch in der Nähe von Balgstedt, nämlich am Abhange des Freyburger Schloßberges und im Kilianshain bei Laucha. Auch die Kirchen von Wetzendorf und Göhritz waren dem heiligen Kilian gewidmet. Da in Balgstedt ein Königshof stand, so muß der Ort frühzeitig eine würdige Kirche erhalten haben. Das beweist auch der noch vorhandene Kirchturm, welcher romanischen Baustiel aufweist. Die Bau und Kunstdenkmäler des Kreises Querfurt sagen darüber: "Von einem romanischen Bau ist noch der Turm erhalten, welcher im Glockenschoß die üblichen vier gekuppelten (rundbogigen) Fenster zeigt. Die Säulchen der selben haben Eckblattbasen und recht saftig gezeichnete Schilfblattkapitäle, aus denen Volutenranken steigen. Auf dem Turme noch das ursprüngliche Zeltdach". Die Kirche hat auch zwei alte Glocken aufzuweisen, nämlich die schon erwähnte Mittelglocke Anna vom Jahre 1311, welcher das diesjährige Glockenjubiläum gilt, sowie die etwas jüngere große Glocke, welche in gotischen Minskeln die Inschrift trägt "Ave Maria".
Im Jahre 1517 begann das Werk der Reformation, veranlaßt durch den Ablaßhandel des Leipziger Dominikanermönchs Johann Tetzel.
Dieser kam auch nach der Bischofsstadt Naumurg, wo er am 1. März 1517 unter feierlichem Geläut aller Glocken und großem Gepränge seinen Einzug durch das Salztor hielt, eingeholt von Domherren, Priestern und Mönchen, Rat und Bürgermeister. Drei Tage bot er auf der Domfreiheit seine Ablaßzettel feil und das Geschäft ging so gut, daß er 5000 Gulden nach Rom schicken konnte.
Die Volksüberlieferung behauptet nun, daß Tetzel damals auch nach Balgstedt gekommen und das hieraus das Ablaßfest entstanden sei. Allein die ist irrig; die Entstehung des Balgstedter Ablaßfestes ist auf den Alljährlichen Trinitatssonntag in der St. Gangolffskapelle gehaltenen Ablaß zurückzuführen, wie bereits oben erwiesen ist.
In dem Bauernkriege, welcher 1525 durch Thomas Münzer entzündet wurde, scheinen die Balgstedter Einwohner sich ruhig verhalten zu haben. Obwohl sie an das Nonnenkloster Zscheiplitz mancherlei Abgaben zu leisten hatten, wagten sie es doch nicht, dasselbe zu plündern; denn im nahen Freyburg hielt der herzogliche Amtshauptmann Christoph von Taubenheim ein strenges Regiment.
Als die aufrührerischen Rotten am Sonnabend, den 6. Mai 1525, das Benediktinerkloster Reinsdorf bei Nebra überfielen, plünderten und verwüsteten, wobei sie ihre Beute in die Liederstedter Kirche in Sicherheit brachten, eilte Christoph von Taubenheim mit einer Schar Bewaffneter von Freyburg herbei, jagte sie auseinander und nahm ihnen ihre Beute wieder ab.
Aus Weischütz hatten die drei Bauern Stephan Geringk, Peter Harras, Hans Schmidt und der ledige Gesell Siebert Straub an der Plünderung des Klosters Reinsdorf teilgenommen. Auf die Anzeige des dortigen Edelmanns Hans von Thuna wurden sie vom Herzog Georg zu einer empfindlichen Strafe verurteilt.
In Balgstedt saß damals Valentin von Neustadt, welcher 1529 starb und in der Freyburger Stadtkirche beigesetzt wurde. Dort war früher sein Grabstein zu sehen, welcher folgende Innschrift trug:

"Anno Domini 1529 am Tage Laurentü ( 10. August ) ist in Gott entschlafen der Edele und Ehrnfeste Valentin von Naustat zu Balstet, welcher allhier begraben, des Seele der Allmächtige geruhe und ihm mit allen Gläubigen eine fröliche Auferstehung wollt geben. Amen."

Unter der Inschrift war der auferstandene Christus gemalt, umgeben von Cherubim, über seinem Haupte der Heilige Geist in Taubengestalt. Rechts unten auf dem Grabstein Valentin von Neustadt kniend dargestellt, links auf einem Stocke sitzend, eine Meise, von welcher man erzählte, daß sie so Zahm gewesen sei, daß sie den von Neustadt überall hin begleitet habe; nach dessen Tode sei sie plötzlich spurlos verschwunden, daher sie einige für einen spiritus familiaris (Familiengeist) haben halten wollen.
Im Jahre 1539 starb zu Dresden Herzog Georg der Bärtige, ein leidenschaftlicher Gegner Luthers und erklärter Feind aller von unten ausgehenden Reformbestrebungen. Da er keine Söhne hinterließ, folgte ihn sein Bruder Heinrich im Regiment.
Dieser war evangelisch gesinnt und ging unverzüglich an die Einführung der Reformation in seinem Lande. Anfang September 1539 erschien eine herzoglich Kommission in Freyburg und blieb sechs Tage auf dem Schlosse, um eine Kirchenvisitation einzuführen. Die Kommission bestand aus folgenden Mitgliedern:

Justus Menius, Superintendent in Eisenach,Johann Weber, Superintendent in Neustadta. Orla, Volrath von Watzendorf zu Bürgel, Friedrich von Hopfgarten zu Hayneck und Hartmann Goldacker, Amtmann in Langensalza und Thamsbrück.

Über den Befund wurden Protokolle aufgesetzt. Das Visitationsprotokoll über Balgstedt lautet: Balgstedt Filiale Grosenitz, Steten die Hart, Doppendorf. Kollator (Kirchenpatron) der Fürst (Herzog Heinrich).

1.Pfarre: 10 neue Groschen aus der Kirche vom Salve (Salvesingen in der Fastenzeit), 2 Pfund Wachs, 8 alte Groschen Kuhzins, 4½ Gans, 10 Hüner, 2 Schock Garben, wann die Acker tragen, an Zehnten 3 Acker in allem Feld (bei der Dreifelderwirtschaft waren dies 9 Acker), 15 Acker Holz, 1½ Acker Wiesen, 30 neue Groschen von der St. Nikolaus Kapelle, 3½ Altschock (a 2,50 Mark) von der Vikaria Beata Virginis.

2. Vikaria Beata Virginis: Kollatoren die von Neustadt, 4½ Altschock , 4½ Groschen 3½ Pfg. an Geld, 32 Weißenfelser Scheffel ½ Virtel Korn, 22 Scheffel ½ Viertel Hafer, wöchemtlich 2 Messen.

3. Vikaria Nikolai: Kollatoren; dieselben, Prossessor (Inhaber) der Pfarrer von Balgstedt Johannes Drom, hat wöchentlich Messe gehabt.

4. Kirchner: 24 neue Groschen von 2 Umgängen, 3 Schock Korn aus der Kirche, 4 Schock Garben an Korn und Hafer, 1 neuer Groschen alle Weichfasten (Quatember).

5. Gotteshaus: 62 Gulden Hauptsumma (Kapital) auf Wiederkauf (auf Zinsen ausgeliehen), 6 Pfund Wachs von 6 Kühen, 2 Kelche, 1 Pacem (Kreuz).

6. Gresenitz Filial: 1 Altschock 19 Groschen von 39 Altschock Hauptsumma, 1 Kelch.

7. Stetten Filial: 1 Altschock Zins von 20 Altschock Hauptsumma, 1 Kelch

Da diese Kirchenvisitation 1539 sehr eilig und oberflächlich gehalten worden war, so ordnete Herzog Heinrich schon für das folgende Jahr 1540 eine 2. Visitation an, die von folgenden Kommissaren ausgeführt wurde:

Magister Weolfgang Fuß, Superintendent zu Weißenfels, Georg Goldacker zu Weberstedt, Friedrich von Hopfgarten zu Haineck und Friedrich vom Hain zu Altengottern

Das damals über Balgstedt aufgenommene Visitationsprotokoll hat folgenden Wortlaut: "Balgstedt Pfarr, Gresenitz Filial, Steten Filial. Lehnherr (Kirchenpatron) Herzog Heinrich zu Sachsen. Johannes Trom von Cassel Pfarrer.
Einkommen der Pfarre: 10 Groschen aus der Kirche vom Salve, 2 Altschock Opfer, 4 Pfg. Missales (Meßpfennige) , 5b Groschen Kuhzins von 4 Kühen , von jeder 15 Pfg. (die kühe waren ausgeliehen) , 5 Gänse , 8 Hüner , 2 Pfund Wachs , 30 Garben an Zehnten , was der Acker trägt, 13 Groschen 4 Pfg. die kirche Begängnisgeld (für Seelenmessen).
Haushaltung: eine baufällige Behausung , 1 Garten , 3 Acker in einem jeglichen Feld, 1 ½ Acker Wiese , 15 Acker Holz, 3 Kühe und 3 Schweine zu halten.
Inventar: 1 Blase im Ofen , 1 Kuh , 4 Hüner , 1 Hahn , den Acker über Winter und Sommer bestellt gefunden, davon (dafür) hat er (der Pfarrer Trom) Herrn Georgen Lacker (seinem Vorgänger) 6 Scheffel Korn (beim Antritt seines Amtes) geben müssen.
Custodia: 1 Haus , 24 Groschen auf 2 Umgänge , 2 Schock Korn und 2 Schock Hafer an Garben , 3 Scheffel Korn die Altarleute , 4 Groschen die Kirche zu Präsenz (für die Anwesenheit beim Gottesdienst) , 4 Groshen und die Kost vom Pfarrer , 2 Eier aus jedem Hause Ostern , 1 Umgang Brot (aus jedem Hause eins) , 4 Groschen von 3 Begängnissen (Totenmessen) die Kirche , 3 Scheffel Korn von 2 Vikarien.
Gotteshaus: 2 Gulden 11 Groschen von 50 Gulden und 14 Groschen Hauptsumma , 7 ewige Kühe (die auf Zins ausgetan waren) , 38 Altschock , 3 Groschen Retardata (Reste).Clinodia : 2 Kelche , 1 silbernes Parcem (Kreuz zum Küssen) , 1 silbernes Viatikum , 6 messingne Leuchter , 4 Meßgewänder. Toppendof , ein wüster Flur, gibt dem Pfarrer zu Balgstedt 20 Scheffel Roggen und Hafer. Die Hart , ein wüster Flur, gibt 19 Scheffel Roggen und Hafer dem Pfarrer.
Vikaria B. Virginius: Collatio (Patronatsrecht) der von Naustadt zu Balgstedt , Possessor (Inhaber) Hironymus Heller zu Naumburg.
Vikaria Nikoai: Collator von der Naustadt, Possessor der Pfarrer.
Vikaria Gangolffi: Collatio von der Naustadt, Prossessor Paulus Creutzer zu Freiburg."
Aus diesen beiden Visitationsprotokollen von 1539 und 1540 ist mancherlei herauszulesen , was die damaligen kirchlichen Verhältnisse betrifft. Das Kirchenpatronat über die Pfarrstelle stand damal dem Herzog zu , über die 3 Vikarien aber dien Herrn von Neustadt , deren Vorfahr Klaus von Neustadt die Gangolfskapelle erbaut hatte. Die Herren von Neustadt waren damals auch Kirchenpatrone in St. Ulrich , nicht aber in Gröst , obwohl sie dort ein Rittergut besaßen. Wir ersehen ferner aus den Protokollen, daß es in Balgstedt außer dem Marienaltar in der Pfarrkirche , an welchem wöchentlich 2 Messen gelesen wurden , und außer der Gangolfskapelle noch eine St. Nikolauskapelle gab , die wahrscheinlich an die Pfarrkirchen angebaut war und in der wöchentlich eine Messe gehalten wurde. Vielleicht war diese Kapelle von Kolster Zscheiplitz gegründet worden , da die Einkünfte der selben , 14 Scheffel Korn , von Einwohnern des Zscheiplitzer Klosterdorfes Münchroda gegeben wurden. Die Herren von Neustadt scheinen übrigens der Reformation nicht besonders zugetan gewesen zu sein , denn sie hatten die Vikaria Beata Virginis dem Naumburger Domherrn Hironymus Heller , also einem katholischen Priester, verliehen . Damit stimmt auch , was Amtshauptmannvon Sperling ( gest. 1809) in seinen handschriftlichen Aufzeichnungen sagt:

" Der eine von Neustadt nahm die lutherische Religion an , der andere blieb katholisch , trennte sich von ihm und erwählte zu seiner Wohnung ein kleines Schloß im herrschaftlichen Garten , davon eine in der Wand befindliche Torfahrt ein Überrest ist. Dieser lebte in großer Armut und wurde zur Belohnung seines Religionseifers vom Naumburger Bischof Julius Pflug mit einem Stück Wald , einer Wiese , Kustodienwiese genannt , und einem Stück Acker , dem Wurmberg , benannt , beschenkt."

Wir erfahren weiter aus den Protokollen, daß der letzte katholische Priester in Balgstedt Georg Lackner hieß und der erste evangelische Prediger Johannes Trom. Ferner erfahren wir, daß die beiden Dörfer Toppendorf und Hart damals bereits wüst waren. Hart, auch die Hardt, die Haart genannt, lag zwischen Balgstedt und Burkersroda. Es wird bereits 1442 als wüst bezeichnet.
Noch früher muß das Dorf Rödel, welches 1349/50 noch 10 Hauswirte hatte, wüst geworden sein, denn es wird in den Protokollen von 1539 und 1540 gar nicht mehr erwähnt. Übrigens ist es eine irrige Meinung, daß diese Orte im Kriege zerstört worden sein. Meist waren die Wüstungen ehemals kleine Dörfer, die sich in Kriegszeiten nicht genügend schützen konnten und deshalb Anschluß an benachbarte größere Dörfer suchten, in die sie übersiedelten, wobei ihre Acker zu der Flur des neuen Heimatortes geschlagen wurden.
In den Visitationsprotokollen wird übrigens unter den kirchlichen Stiftungen die Spende nicht erwähnt. Eine solche muß bis zur Einführung der Reformation in Balgstedt bestanden haben , denn 1520 setzte die reiche Witwe Anna Zollis in Freyburg durch Testament zahlreiche Legate für kirchliche Stiftungen aus, darunter auch 3 Gulden zur Spende in Balgstedt und 2 Gulden für St. Gangolf . Diese Spenden bestanden wohl in einem vor 1520 gestifteten Kapital , von dessen Zinsen an einem gewissen Tage im Jahre Arme gespeist und getränkt wurden. Mit der Reformation scheint die Stiftung aufgehoben worden zu sein, indem das Kapital für andere Zwecke verwandte, da durch die Spenden dem Bettel Vorschub geleistet wurde.
Bei der Visitation von 1540 wurden auch die Klöster von der Kommission untersucht. Im Kloster Zscheiplitz fand die selbe keinen Propst und Prior mehr vor, aber 10 Nonnen und eine Aebtissin namens Agnes Treber aus Erfurt. Sie alle erklärten sich bereit, sich nach der neuen Ordnung der Dinge zu halten und jährlich zweimal, zu Pfingsten und zu Weihnachten, das das heilige Abendmahl unter beiderlei Gestalt (mit Brot und Wein) zu feiern, womit das Nonnenkloster Zscheiplitz sein Ende fand.
Um die Reformation in seinem Land noch weiter zu befestigen, ließ Kurfürst August von Sachsen 1555 wieder ein allgemeine Kirchenvisitation veranstalten und beauftragte mit dem Werke für den thüringischen Kreis zwei Personen: Magister Jakobus Weigandt, Superintendent in Weißenfels und Wolff Koller Amtshauptmann zu Eckartsberga
Für das Amt Freyburg begann die Visitation Montag nach Miserikordias 1555. Über Balgstedt wurde dabei folgendes niedergeschrieben:

Ballstedt, Filiale Grössenitz und Stedtenn. Kollator unser gnädigster Kurfürst zu Sachsen. Pfarre Augustinus Zeidler von Plauen, ist 12 Jahre da gewesen (also seit 1543) , ein alter, ungelehrter Mann, hat übel respondiert (in der Prüfung schlecht geantwortet) und ist bis auf den nächsten Synodum (Pastoralkonvent) suspendiert worden. Er soll auch den Katechismus fleißiger lehren, auch auf den Sonnabend und Sonntagsamt der Mittwochspredigt forthin, wie gewöhnlich ist, Vesper halten (den Nachmittagsgottesdienst nicht ausfallen lassen)."

Dieser Pfarre Zeidler scheint ein schwacher, gutmütiger Mann gewesen zu sein, denn sein Nachfolger beklagt sich über ihn, daß er die Pfarre manche Einkünfte habe verloren gehen lassen. Dieser Nachfolger war Magister Johannes Peschelius. Er stammte aus Ried in Bayern und zog Peter - Paul 1563 als Pfarrer nach Balgstedt, nachdem sein Vorgänger Augustinus Zeidler (gest. 1568) in den Ruhestand getreten war. Peschelius wird bei der Visitation von 1575 als "ein wohlgearteter Mann" bezeichnet. Er veranlaßte bald nach seinem Amtsantritt eine Reparatur im Inneren der Kirche. Darüber heißt es in alten Pfarrakten:

"1564 hat Zimmermann Hans Beyer des Pfarrherrn Gestühl in der Kirche sowie den Predigtstuhl (die Kanzel) umgesetzt. Für die Borkirche (Emporen) ist eine Tür ins Gewölbe gebrochen. Bei diesem Umbau ist die Borkirche in St. Gangolfs Kirchen abgebrochen und in der Pfarrkirchen wieder aufgesetzt. Maurer Richter hat die Treppen auf den Predigtstuhl gemacht."

Aus dieser Nachricht ersehen wir, das die Gangolfskapelle 1564 noch stand und die hölzernen Emporen aus ihr entfernt wurden, um in der Pfarrkirche Verwendung zu finden.